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Ihr Beitrag "...als Opfer des Kalten Krieges Verstrahlt. Vergessen. Verleugnet!"

Thomas Förster am 30.12.2015

Sehr geehrter Herr Krüger,
Sie haben als Radarsoldat in der Zeit von 1959 - 1971 in der Bundeswehr gedient, sind an deren leistungsstarken Sendern (Röntgenstörstrahlern) gesundheitlich zu Schaden gekommen und kämpfen seither um die Anerkennung Ihrer Diensterkrankung als Wehrdienstbeschädigung.

Ich habe aus eigener Betroffenheit und Erfahrung allergrößten Respekt vor Ihrem Mut und der Ausdauer, mit der Sie Ihre Ansprüche auf Wiedergutmachung seit vielen Jahren verfolgen.

Jedoch muss Ihnen und allen gleichermaßen betroffenen Menschen, die dieses Portal kontakten, richtigstellend gesagt werden:
Sie (wir) sind keine Opfer des Kalten Krieges, denn aus dem Kalten Krieg wurde, wie wir alle wissen, jedenfalls mit militärischen Mitteln, kein Heißer Krieg.

Und wir sollten uns auch nicht zu "Opfern" umwidmen lassen!

Wem gegenüber hätten Sie sich denn auch seinerzeit in Ihrem Dienst in der Bundeswehr tatsächlich aufgeopfert, oder wären, möglicherweise gegen Ihren Willen, aufgeopfert worden?

Militärische Opfer des Kalten Krieges gab es in diesem Sinne auf beiden Seiten des "Eisernen Vorhangs" nicht, wohl aber "dienstgeschädigte Menschen".

Und für "dienstgeschädigte Menschen" gab es sowohl in der Bundeswehr als auch in der NVA von Anbeginn an eine angemessene Grundlage zur Entschädigung.

In der Bundeswehr war dies von jeher das Soldatenversorgungsgesetz (SVG).

Ebenda kam auch die Entschädigungspflicht des Dienstherren Bundeswehr für Dienstbeschädigungen vor, weil dieselben unter "wehrdiensteigentümlichen Umständen" zugefügt worden sind, sich einer gerichtlichen Überprüfung entzogen, eben deshalb weil sie "wehrdiensteigentümlich" waren und so nur in der Bundeswehr und eben nicht im zivilen Bereich vorkommen konnten.

Das änderte sich erst, als in das SVG Rechtsgedanken des Berufskrankheitenrechtes der Bundesrepublik Deutschland eingeführt wurden, in Ihrem Fall die Berufskrankheit BK-2402 der BKV - Erkrankung durch ionisierende Strahlung.

Damit wurde die Beweislast für Ihre Anspruchsberechtigung auf Anerkennung einer strahleninduzierten Wehrdienstbeschädigung von der Bundeswehr weg, zu Ihnen als Antragsteller hin verlagert.

Ein Umstand, der dazu führte, dass Sie, wie Sie schreiben, seit vielen Jahren einen Rechtsstreit um Ihre verfassungsrechtlich geschützten Ansprüche führen müssen und heute in 2016 immer noch eben damit unterwegs sind, ohne das sich eine erfolgreiche Prognose abzeichnet bzw. in absehbarer Zeit ein vernünftiges Ende erkennbar sein dürfte!

Im Übrigen liegen dem Wehrbeschaffungsamt seit 1957 gesicherte Erkenntnisse über die Gefährlichkeit amerikanischer Röntgenstörstrahler vor.

So kommt es nicht von ungefähr, dass in späteren Jahren erfolgreich Schadenersatzprozesse gegen die Hersteller amerikanischer Radargeräte geführt wurden und zahlreiche Bundeswehrsoldaten so in den "Genuss" bemerkenswerter amerikanischer Schadenersatzzahlungen gekommen sind.

Auf der anderen Seite des damaligen Eisernen Vorhangs, in der NVA, sah es zu jener Zeit nicht viel anders aus.

Etwa in 1963 sickerten erstmals Angaben zur Gefährlichkeit der russischen Röntgenstörstrahler durch, später wurde die NVA von der Einhaltung der gesetzlichen Strahlenschutz- und anderer gesetzlicher Bestimmungen der DDR einfach frei gestellt.

Erst Ende 1989, als tatsächlich alle Messen gelesen waren, wurden Gesetze zum Schutz des Betriebspersonals leistungsstarker Sender sowohl gegenüber ionisierender, als auch nichtionisierender Strahlung in Kraft gesetzt.

Im Jahre 2005 wendete sich der ehem. Bundeswehr-Radarsoldat Alban H. an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages und bat darum, dass die Bundesregierung eine "Strahlenopferentschädigungsgesetzgebung" erlassen möge.

Die Antwort der Bundesregierung in Bezug auf die Bundeswehrsoldaten lautete damals:

"Die Versorgung wehrdienstbeschädigter Soldaten richtet sich nach den Bestimmungen des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) in Verbindung mit den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).

...eine gesetzliche Regelung mit einer pauschalen Entschädigung unabhängig von den Voraussetzungen der bereits bestehenden gesetzlich geordneten Verfahren, wäre mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbar, da auch in anderen Tätigkeitsbereichen schwerste Erkrankungen auftreten, deren Anerkennung als Berufskrankheit auf Grund nicht ausreichender wissenschaftlicher Erkenntnisse oder nicht rekonstruierbarer Expositionsverhältnisse nicht oder nur für bestimmte Erkrankungen möglich ist.

Eine Pauschalentschädigung von Beschäftigten im Betrieb von Radareinrichtungen unter Verzicht auf den generellen und individuellen Kausalnachweis wäre aus dieser Sicht eine ungerechtfertigte Bevorzugung und würde Forderungen anderer Personengruppen - z.B. Beschäftigte im ehemaligen Uranerzbergbau der SDAG-Wismut - nach sich ziehen."
(vgl. Pet 1-15-14-51-019270 vom 29.11.2005 zur Rechtsstellung der Soldaten)

Es geht aber, nach Ihren Angaben, nicht um die Anerkennung Ihrer Wehrdienstbeschädigung als Berufskrankheit, sondern um einen Versorgungsanspruch gem. SVG iVm dem BVG, in Folge einer unter wehrdiensteigentümlichen Umständen zugefügten Dienstbeschädigung.

Und dazu liegt die (Umkehr-) Beweislast zweifellos bei Ihrem ehemaligen Dienstherren.
(vgl. Bericht der Radarkommission vom 02.07.2003, www.bfs.de oder auch auf diesem Portal unter "info")

Fazit

"Die Vertretung berechtigter Interessen ist legitim.
Aber kein Interessenkonflikt darf soweit getrieben werden, dass dabei das grundlegende Vertrauen in den inneren Frieden gefährdet wird.
Der innere Frieden unseres Landes ist kostbar.
Wenn wir ihm nicht mehr vertrauen können, gerät das Vertrauen in den Staat in Gefahr."
schreibt Altbundeskanzler Helmut Schmidt in seinem Buch "Das Jahr der Entscheidung" Rowohlt-Verlag Berlin 1994, S.158 ff.

Dipl.-Ing.
Thomas Förster
Obermaat a.D.




 

Beweisführung zur Strahlenbelastung des Bundeswehr-Radarpersonals

Thomas Förster am 30.12.2015

1. Bericht der Expertenkommission zur Frage der Gefährdung durch Strahlung in früheren Radareinrichtungen der Bundeswehr und der NVA (Radarkommission) vom 02.07.2003

"3. Ergebnisse
3.1 Expositionen
Exposition gegenüber Röntgenstörstrahlung
Hinsichtlich der Expositionsrekonstruktion der Röntgenstörstrahlung bei der Bundeswehr hält die Radarkommission eine gerätespezifische Unterscheidung von drei Phasen für sinnvoll:

Phase 1
ist dadurch charakterisiert, dass kaum Messungen zur Ortsdosisleistung und keine personenbezogenen Dosiswerte vorhanden sind oder verlässlich rekonstruiert werden können.
Für die Phase 1 wird eine zuverlässige oder auch nur obere Abschätzung der Exposition durch Röntgenstörstrahlung rückwirkend für nicht möglich erachtet, da die Daten- und Informationsbasis unzureichend ist.
Eine Übertragung der Ergebnisse späterer bzw. aktueller Messungen auf frühere Expositionszeiträume ist in der Regel nicht möglich, da eine Vielzahl von Einflussfaktoren nicht mehr rekonstruierbar sind.

Phase 2
es wurden Strahlenschutzmaßnahmen etabliert und es fanden Messungen der Ortsdosisleitung an häufig verwendeten Waffensystemen statt.
Die Phase 2 läßt sich auf die Zeit zwischen 1975 bis 1985 eingrenzen.

Phase 3
wird dadurch charakterisiert, dass ab 1985 ein adäquater Strahlenschutz existiert. Mit erhöhter Strahlenexposition ist in dieser Phase nicht mehr zu rechnen."
(vgl. Bericht der Radarkommission vom 02.07.2003, S.III ff)

2. Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) vom 12.03.2004

"Die Voraussetzungen für eine Anerkennung gem. den Empfehlungen der Radarkommission hinsichtlich der Röntgenstörstrahlung sind:
2.1 Der Antragsteller ist an einem malignen (bösartigen) Tumor erkrankt und es liegt darüber ein pathologisch-histologisches Gutachten vor.
2.2 Zwischen der Tätigkeit am Radargerät und dem Ausbruch der Krankheit liegt eine versorgungsmedizinisch hinreichende Latenzzeit.
2.3 Es ist ein Ursachenzusammenhang zwischen der Tätigkeit am Radargerät und der Erkrankung anzunehmen.
2.4 Der Antragsteller war einer Röntgenstörstrahlung ausgesetzt. Dies steht fest oder davon ist auszugehen, bei allen Radargeräten der Bundeswehr für die Phase 1 und 2.
2.5 Der Antragsteller war als Radartechniker/-mechaniker in Phase 1 oder 2 beschäftigt bzw. war Operator und hat Radartechniker/-mechaniker nicht nur gelegentlich in Phase 1 oder 2 bei Arbeiten am geöffneten und laufenden Radargerät unterstützt."
(vgl. Erlaß des BMVg vom 12.03.2004 zum Az.: WV IV5 - Az 47-04-17 S.1, Abs.4ff)

3. Begutachtung im Sozialen Entschädigungsrecht
Sachverhaltsermittlungen bei der Geltendmachung lang zurückliegender Schädigungen durch den Betrieb von Radargeräten der Bundeswehr - Rundschreiben des BMGS vom 20.10.2003 (Az.: 435-65517)

"Da in Folge der besonderen Sachlage die Exposition (z.B. konkrete Strahlendosis) im Einzelfall nicht mehr ermittelbar ist, u n t e r s t e l l t das Bundesministerium der Verteidigung soweit die von ihm aufgrund der Arbeitsergebnisse der Radarkommission aufgestellten und vom Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages gebilligten Voraussetzungen vorliegen, d i e W a h r s c h e i n l i c h k e i t des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Strahlenexposition und bösartiger Erkrankung.
Die Frage einer Kannversorgung stellt sich deshalb in diesen Fällen nicht."
(veröffentlicht im Bundesarbeitsblatt 12/2003 als Rundschreiben des BMGS vom 20.10.2003 (Az.: 435-65517)

4. Beruflich verursachte Tumoren - Grundlagen der Entscheidung zur BK-Verdachtsanzeige

"Bösartige Tumoren und Präneoplasien des blutbildenden und lymphatischen Systems

Grundsätzlich sollten alle bösartigen Erkrankungen des blutbildenden und lymphatischen Systems an eine berufliche (oder dienstliche!)Genese denken lassen.

Insbesondere gilt dies für Leukämien (ALL, AML, CML, einschl. aller Unterformen) Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphome (einschließlich CLL, Plasmozytom) sowie auch kutane maligne Lymphome (z.B. Mycosis fungoides, Sezary-Syndrom). Neben der CML können auch andere myeloproliferative Erkrankungen (Polycythaemia vera, Thrombozythämie und Osteomyelofibrose) beruflich (bzw dienstlich) bedingt sein.

Ionisierende Strahlen

Der Kausalzusammenhang zwischen der Einwirkung ionisierender Strahlen am Arbeitsplatz und dem Auftreten von Präleukämien, Leukämien, Lymphomen, Plasmozytomen ist gesichert.

Dies gilt insbesondere ... für den technischen Einsatz von Röntgenstrahlen, für Tätigkeitsbereiche bei denen mehr als nur eine gelegentliche Einwirkung von Röntgenstrahlen vorgelegen haben, ...spezielle unfallartige Strahleneinwirkungen sind zu berücksichtigen.

Gleiches gilt für die ...Anwendung radioaktiver Stoffe in der Technik (z.B. als Leuchtfarben für Skalen und Zeiger)"
(vgl. K.Norpoth, H.-J.Woitowitz Beruflich verursachte Tumoren, Deutscher Ärzte-Verlag Köln, 1994)





 

 

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